Stundenuhr des Leidens


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Stunde von Mitternacht bis 1 Uhr

Gefangennahme Jesu im Garten Gethsemane


Mein Jesus, es ist Mitternacht. Deine Feinde kommen näher. Du, der du deine Fassung wieder erlangt hast, dir das Blut abtrocknest und vom Himmel gestärkt worden bist, begibst dich aufs neue zu deinen Jüngern, rufst sie, ermahnst sie, nimmst sie mit dir und gehst deinen Feinden entgegen. So machst du mit deiner Bereitwilligkeit meine Lässigkeit, Unlust und Trägheit im Arbeiten und Leiden gut. Aber, mein süßes Gut, welch ergreifende Szene bietet sich dem Auge dar! Der erste, der sich zeigt, ist der treulose Judas. Er nähert sich dir, umarmt dich, grüßt und küsst dich. Du, Fleisch gewordene Liebe, hältst es nicht unter deiner Würde, dich von diesen teuflischen Lippen küssen zu lassen. Du umarmst ihn noch, drückst ihn ans Herz, willst ihn der Hölle entreißen, indem du ihm ein neues Zeichen deiner Liebe gibst. - Wie ist es denn möglich, dich, Jesus, nicht zu lieben! Die Zärtlichkeit deiner Liebe ist so groß, dass sie mit Macht jedes Herz anziehen sollte, dich auch zu lieben. Und trotzdem wirst du nicht geliebt!

... Indem du dich von Judas küssen lässt, sühnst du den Verrat, die Verstellung, den Betrug unter der Maske der Freundschaft und Heiligkeit besonders jener Seelen, die dir geweiht sind. Da erflehst du Verzeihung für jeden Sünder, der wahre Reue hat und in Demut zu deinem Herzen seine Zuflucht nimmt.

Jesus, mein süßes Gut! Ich werde dir zur Seite sein und dich verteidigen. Ich werde deine Lehren entgegennehmen und alle deine Worte, eins nach dem andern, beachten. Ach, wie wohl tut meinem Herzen dein Wort, das du an Judas richtest: „Freund, wozu bist du gekommen?" Mir scheint, als richtetest du auch an mich dieses Wort, aber nicht, um mich Freund, sondern beim süßen Namen ,Kind’ zu nennen. „Kind, wozu bist du gekommen?" fragst du, um die Antwort vernehmen zu können: „Jesus, ich komme, dich zu lieben." - „Wozu bist du gekommen?" sprichst du zu mir, wenn ich am Morgen erwache; sprichst du zu mir, wenn ich bete; sprichst du zu mir aus der konsekrierten Hostie, wenn ich komme, dich in mein Herz aufzunehmen. Welch schöner Anruf für mich und alle anderen Seelen! Wie viele geben aber auf deine Frage die Antwort: „Ich bin gekommen, dich zu beleidigen." Andere, die sich stellen, als wüssten sie nichts von dir, geben sich jeder Art von Sünden hin und antworten auf deine Frage: „Ich gehe zur Hölle!"

Wie sehr bemitleide ich dich, mein Jesus! Ich möchte die Stricke nehmen, mit denen deine Feinde bereitstehen, dich zu fesseln, um jene Seelen an dich zu fesseln und dir diesen Schmerz zu ersparen.

Wieder vernehme ich deine sanfte Stimme, die, während du ihnen entgegengehst, an deine Feinde die Frage stellt: „Wen suchet ihr?" Und sie antworten: „Jesus von Nazareth." Und du: „Ich bin es!" Mit diesen wenigen Worten sagst du alles und gibst dich als den zu erkennen, der du wirklich bist, sodass deine Feinde vor Schrecken erzittern und wie tot zu Boden stürzen. Du, meine Liebe, der seinesgleichen nicht hat, rufst sie mit einem zweiten „Ich bin es!" zum Bewusstsein zurück und überlieferst dich ihren Händen. Aber anstatt sich zu demütigen und erschüttert zu deinen Füßen niederzuwerfen, misstrauen die Treulosen und Undankbaren deiner Güte, missachten deine Gnaden und Wunder, legen dir die Hände auf den Rücken, binden und fesseln dich mit Stricken und Ketten, werfen dich auf den Boden, treten dich mit Füßen und raufen dir die Haare aus. Du aber schweigst mit unerhörter Geduld, erträgst und sühnst alle diese Unbilden, die man dir ungeachtet deiner Wunder mit immer größerer Hartnäckigkeit zufügt. Mit den Stricken und Ketten, die dich binden, sprengst du die Ketten unserer Sündenschuld und fesselst uns mit den süßen Banden der Liebe an dich. - Liebevoll tadelst du Petrus, der dich mit dem Schwert verteidigen will und Malchus ein Ohr abhaut, das jedoch von dir wieder geheilt wird. Damit willst du Ersatz leisten für jene guten Werke, die nicht mit heiliger Klugheit verrichtet werden, und für jene sühnen, die aus allzu großem Eifer in Schuld fallen.

Mein geduldigster Jesus! Es dünkt mich, als ob diese Stricke und Ketten deiner göttlichen Person noch eine besondere Schönheit verliehen. Auf deiner Stirn thront eine Majestät, der selbst deine Feinde Aufmerksamkeit schenken. Deine Augen strahlen, dein göttliches Antlitz nimmt den Ausdruck tiefsten Friedens und höchster Güte an, die fähig ist, selbst auf deine Henkersknechte Eindruck zu machen. Deine wenigen durchdringenden und doch so milden Worte lassen sie erbeben. Wenn sie sich erkühnen, sich dir zu nähern, geschieht es nur, weil du es zulässt.

O meine Liebe! Wirst du je zugeben können, dass du für mich gefesselt und angekettet wirst, und ich, dein Geschöpf, soll keine Ketten tragen? Nein, nein! So fessle mich mit deinen eigenen Stricken und Ketten, fessle mich mit eigenen Händen. Darum bitte ich, während ich deine anbetungswürdigen Hände küsse, allen meinen Gedanken, meinen Augen, meinen Ohren, meiner Zunge, meinem Herzen, meinen Neigungen, meinem ganzen Wesen Fesseln anzulegen. Zugleich mit mir fessle aber auch alle Menschenkinder, denn sie werden sich nicht mehr erdreisten, dich zu beleidigen, wenn sie die Süßigkeit deiner liebevollen Ketten empfinden.

Mein Jesus! Schon hast du dich den Händen deiner Feinde überliefert, weil du ihnen die Macht gabst, mit dir zu tun, was sie wollen. Auch ich, mein Jesus, übergebe mich deinen Händen, damit du in voller Freiheit mit mir tun kannst, was dir gefällt. Mit dir will ich mich in die Gefolgschaft deines Willens begeben, deine Sühneleistungen nachahmen und deine Leiden erdulden. Ich möchte immer in deiner Nähe sein, auf dass es keine Beleidigung gebe, für die ich nicht sühne, keine Bitterkeit, die ich nicht versüße, keine Backenstreiche, keine Besudelung deines Angesichts, die nicht von meinen Liebkosungen und Zärtlichkeiten begleitet wären. Wenn du auf deinem Leidensweg fällst, werden meine Hände stets bereit sein, dich aufzuheben. Immer will ich bei dir sein, keinen Augenblick dich allein lassen. Um dessen mehr versichert zu sein, lass mich eingehen in dich. Bin ich in deinem Geiste, in deinen Blicken, in deinem Herzen, in dir selbst, dann kann das, was du tust, auch ich tun. So werde ich dir treue Gefolgschaft leisten können. Keines deiner Leiden wird mir entgehen, für alle will ich dir als Gegengabe meine Liebe schenken.

Jesus, mein süßes Gut, es ist ein Uhr nachts. Mein Geist beginnt einzuschlummern. Doch werde ich tun, was ich kann, mich wachzuhalten. Sollte mich aber trotzdem der Schlaf übermannen, dann wird er mich in dir lassen. Von nun an lasse ich meine Gedanken in dir, um dich gegen deine Feinde zu verteidigen, jeden Atemzug, dass er dir Gefolgschaft und Gesellschaft leiste, jeden Pulsschlag, dass er dir sage: „Ich liebe dich!" und dich entschädige für die Liebe, welche dir die andern nicht geben. Ich lasse jeden Tropfen meines Blutes in dir, um dir Ersatz zu leisten und die Ehre und Hochachtung zurückzugeben, die deine Feinde durch ihre Beschimpfungen, ihre Backenstreiche und Besudelungen dir verweigern, lasse schließlich mein ganzes Wesen in dir als Schutzwache zurück. Jesus, liebkose, umarme und segne mich. Wenn du willst, dass ich mich ein wenig der Ruhe hingebe, lass mich ruhen in deinem Herzen, auf dass ich durch deine von Liebe und Leid beschleunigten Herzschläge oft und oft wach werde, um dir ohne Unterbrechung Gesellschaft zu leisten.

 

Erwägungen und praktische Übungen.

Jesus übergibt sich bereitwillig den Händen seiner Feinde, weil er darin den Willen seines Vaters erblickt.
Wenn wir von den Geschöpfen enttäuscht und verraten werden, sind auch wir dann sofort bereit zu verzeihen, wie Jesus verziehen hat? Nehmen auch wir alles Böse, das uns von den Menschen zukommt, als etwas an, das von der Hand Gottes kommt? Sind wir bereit, unverzüglich das zu tun, was Jesus von uns verlangt?

Können wir sagen, dass in Kreuzen und Trübsalen unsere Geduld der Geduld Jesu nahe kommt?

In Banden geschlagener Jesus! Deine Ketten mögen mein Herz fesseln und festhalten, dass ich stets bereit sei, das zu leiden, was du willst.