Stundenuhr des Leidens


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24. Stunde von 16 bis 17 Uhr

Grablegung Jesu
Marias bittere Verlassenheit


Mein Jesus! Die erste, die dich nach der Abnahme vom Kreuz auf ihren Schoß nimmt, ist deine schmerzhafte Mutter. In ihren Armen ruht dein von Dornen durchstochenes Haupt. Meine gütigste Mutter! Halte es nicht unter deiner Würde, mich in deiner Gesellschaft zu dulden. Mache es möglich, dass ich im Verein mit dir meinem geliebten Jesus die letzte Ehre erweise.

Ja, es ist wahr, du übertriffst mich an Liebe und an Zartgefühl, meinen Jesus anzurühren. Aber ich will mich bemühen, dich so vollkommen wie möglich nachzuahmen, um in allem sein Wohlgefallen zu erwerben.

Mit deinen und meinen Händen lass uns die Dornen herausziehen, die sein anbetungswürdiges Haupt umgeben. Mit deiner Anbetung, die du in tiefster Demut und Andacht darbringst, möchte ich die meinige vereinen.

Himmlische Mutter, schon schickst du dich an, mit deinen Händen das Blut von jenen Augen abzuwaschen, die einst der ganzen Welt Licht des Geistes gespendet haben, jetzt aber verdunkelt und erloschen sind. O Mutter, im Verein mit dir möchte ich Sühne leisten für alle Sünden, welche die Menschheit durch Augenlust begangen hat.

Süße Mutter, ich sehe, wie du unter Tränen und Schmerzen das Antlitz deines gemarterten Jesus betrachtest. Ich vereinige meinen Schmerz und meine Tränen mit den deinigen. Lass uns gemeinsam sein heiligstes Angesicht von der Besudelung reinigen. Beten wir jenes Antlitz voll göttlicher Majestät an, das Himmel und Erde zur Verzückung hinreißt, jetzt aber kein Lebenszeichen mehr von sich gibt.

Verehren wir, meine Mutter, seinen heiligen, göttlichen Mund, der mit dem Wohllaut seiner Worte so viele Herzen an sich herangezogen hat. Mutter, drücke deine Lippen auf jene bleichen und blutlosen Lippen deines Sohnes, die der Tod für immer verschlossen hat.

Mutter, küssen wir auch jene schöpferischen Hände, die so viele Wunder für uns gewirkt haben, jene durchbohrten Hände, die schon kalt und von der Totenstarre erfasst sind. Verschließen wir in diesen heiligen Wundmalen das Los aller Seelen. Jesus wird sie bei der Auferstehung wieder finden, und da du sie in seinen Wundmalen verschlossen hast, wird keine Seele mehr verloren gehen. Mutter, beten wir diese tiefen Wundmale im Namen aller Menschen und für alle Menschen an.

Himmlische Mutter, schon schickst du dich an, die Füße deines armen Jesus zu küssen. Wie Schauder erregend sind doch deren Wundmale! Die Nägel haben Teile des Fleisches und der Haut weggerissen, und das Gewicht des heiligen Leibes hat sie erweitert. Verehren wir gemeinsam diese Wundmale und beten wir sie in tiefster Demut an. In sie verschließen wir alle Schritte der Sünder, damit sie beim Gehen Jesus wahrnehmen, der neben ihnen einherschreitet, und sie sich so nicht mehr erdreisten, ihn zu beleidigen.

Ich sehe, schmerzhafte Mutter, wie dein Blick sich auf das von der Lanze geöffnete Herz heftet. O verschließe und begrabe mich in ihm. Verwahrst du so mein Herz und mein Leben, dann werde ich in Ewigkeit in ihm verborgen bleiben. Gib mir deine Liebe, Mutter, um Jesus zu lieben, gib mir dein Herz, um für alle Menschen beten, leiden und sühnen zu können für jede Beleidigung, die diesem Herzen zugefügt wird.

Vergiss nicht, Mutter, dass, wie du meinen Jesus dem Grab übergibst, so auch ich von deinen Händen mit ihm begraben sein will, um einst mit ihm und allem was sein ist, auferstehen zu können.

Nun will ich auch dir, liebevollste Mutter, den Tribut meiner kindlichen Liebe zollen. Ich trage tiefes Mitleid mit dir. Wenn es möglich wäre, würde ich jeden Herzschlag, jede Begierde, jedes geschöpfliche Leben vereinigen und als Beweis der Teilnahme an deinen Leiden und an deiner Liebe zu deinen Füßen niederlegen. Ich empfinde Mitleid mit dir wegen des maßlosen Schmerzes, den du erduldet hast, als du Jesus sahst: tot, mit Dornen gekrönt, zerrissen von den Schlägen und den Nägeln; als du jene Augen sahst, die dich nicht mehr anschauten, jene Ohren, die nicht mehr deine Stimme vernahmen, jenen Mund, der nicht mehr zu dir sprach, jene Hände, die dich nicht mehr segneten, und jene Füße, die dir nicht mehr folgten. Wenn es möglich wäre, gäbe ich dir das Herz deines Jesus, das überströmt von Liebe. Ich möchte es dir schenken, um dir mein Mitleid zu bezeigen, wie du es verdienst, und um dich in der äußersten Bitterkeit deiner Schmerzen zu trösten.

 

Erwägungen und praktische Übungen.

Jesus wird begraben. Ein Stein verschließt sein Grab und hindert seine Mutter, ihren Sohn nochmals sehen zu können. Entziehen auch wir uns den Blicken der Geschöpfe? Sind wir nicht ungehalten, wenn sie uns vergessen? Sind wir in heiligen Dingen gleichmütig gestimmt, wenn wir dadurch keine Sünde begehen? Beseitigen wir alle Hindernisse mit jenem heiligen Gleichmut, der uns allein zu Jesus führt, um uns ihm ganz und gar hingeben zu können? Bildet unsere Standhaftigkeit für ihn eine sanfte Kette, mit der er uns an sich zieht?

Sind unsere Blicke auch in den Blicken Jesu begraben, sodass wir nichts anderes mehr anschauen, als was Jesus gefällt? Ist auch unser Stimme in der Stimme Jesu begraben, sodass wir, wenn wir sprechen sollen, nur mit der Zunge Jesu reden? Sind unsere Schritte in den seinigen begraben, sodass sie, wenn wir gehen, den Schritten Jesu gleichen? Ist unser Herz im Herzen Jesu begraben, um nur lieben und wünschen zu können, was sein Herz liebt und wünscht?

Meine Mutter! Wenn sich Jesus zum Heil meiner Seele verbirgt, so erflehe mir die Gnade, die dir zuteil wurde, als du seiner beraubt warst, dass auch ich ihm die Verherrlichung geben könne, die du ihm gegeben hast, als er im Grab beigesetzt worden war.

Jesus, ich möchte mit deiner eigenen Stimme zu dir flehen. Und da deine Stimme die Himmel durchdringt und in den Stimmen der seligen Himmelsbewohner einen Widerhall findet, so möge sich auch meine Stimme zur Ehre der deinigen bis zum Himmel erheben, um dir die Verherrlichung und Liebe deines eigenen Wortes darbringen zu können.

Mein Jesus, mein Herz schlägt, aber ich bin nicht zufrieden, wenn du es nicht mit dem deinigen schlagen lässt, denn nur mit deinem Herzschlag werde ich lieben, wie du liebst. Dir schenke ich die Liebe aller Geschöpfe, dann wird nur ein Ruf erschallen: „Liebe, Liebe!”

Jesus, gib dir selbst die Ehre und besiegle alles, was ich tue, mit dem Stempel deiner Allmacht, deiner Liebe und deiner Verherrlichung.

 

Marias bittere Verlassenheit

„O wie teuer kommen mich die Seelen zu stehen! Sie kosten mich das Leben meines Sohnes, der zugleich Gott ist. Und ich, seine Mutter und Miterlöserin des Menschengeschlechts, vermache dir die Seelen als Erbe, o heiliges Kreuz.”

Schmerzhafte Mutter! Schon schickst du dich an, das letzte Opfer zu bringen und deinen göttlichen Sohn begraben zu müssen. Gänzlich ergeben in den Willen des Himmels, gibst du ihm das letzte Geleit und legst ihn mit eigenen Händen ins Grab. Während du den Leichnam bettest, ihm das letzte Lebewohl zurufst und ihn zum letzten Mal küsst, bist du vom Schmerz überwältigt, dass dir das Herz zerspringen möchte. Liebe und Schmerz fesseln dich an den entseelten Leichnam, und beide sind so groß, als wollten sie die Flamme deines Lebens auslöschen wie die deines Sohnes.

Arme Mutter! Wie dich zurechtfinden ohne deinen Sohn, der dein Alles, dein Leben war? Doch so ist es der Ratschluss des ewigen Wollens. Mit zwei unbezwinglichen Mächten hast du zu kämpfen: mit der Liebe und dem göttlichen Wollen. Die Liebe hält dich am Grab fest und möchte die Trennung verhindern, das göttliche Wollen ist dagegen und verlangt sein Opfer. Beklagenswerte Mutter! Was tun? Wie sehr habe ich Mitleid mit dir. Ihr Engel, kommt und tragt sie weg von den im Tod erstarrten Gliedern des Leichnams Jesu, sonst wird auch sie verscheiden.

Aber, o Wunder! Während du, meine Mutter, mit Jesus ausgelöscht erscheinst, vernehme ich deine vor Schmerz bebende und durch Seufzer unterbrochene Stimme, die spricht:

„Mein geliebter Sohn! Noch ein Trost bleibt mir übrig, der mein Leid gemildert hat: Ich konnte meinen Schmerz ausweinen über den Wunden deiner heiligsten Menschheit, sie verehren und küssen. Nun ist mir auch dieser Trost genommen. Der göttliche Wille hat es so bestimmt, und ich ergebe mich. Aber wisse, mein Sohn, ich will es zwar und kann es doch nicht. Schon bei dem Gedanken, mich von dir zu trennen, schwinden meine Kräfte. Der Lebensodem scheint mir zu entweichen. O lass mich doch, um für diese bittere Trennung stark genug zu sein, ganz in dir begraben werden und dein Leben, deine Leiden, deine Sühneakte und alles, was du bist, in mich aufnehmen. Nur ein Austausch des Lebens zwischen dir und mir vermag mir Kraft zu verleihen, das Opfer zu bringen, mich von dir zu trennen.”

Betrübte Mutter! Schon neigst du dein Haupt zum Haupte Jesu hin, küsst es und verschließt deine Gedanken in den Gedanken Jesu. O wie gern möchtest du ihm deine Seele einhauchen, um Leben für Leben geben zu können.

Schmerzhafte Mutter! Ich sehe dich die erloschenen Augen Jesu küssen. Wie leidest du, weil sie dich nicht mehr anschauen! O wie oft haben jene göttlichen Augen, wenn sie dich anschauten, dich in Paradiesesfreuden versetzt und aus dem Tode Leben erstehen lassen![1] Jetzt aber, wo sie dir keinen Blick mehr geben, glaubst du sterben zu müssen. Du vertiefst deine Augen in die seinigen und nimmst dir seine Augen zu eigen, seine Tränen und jenen bitteren Schmerz, den ihm der Anblick so vieler Beleidigungen, so vieler Schmähung und Verachtung vonseiten der Geschöpfe bereitete. Schmerzdurchbohrte Mutter! Du rufst und rufst nach Jesus und sprichst:

„Mein Sohn, ist es möglich, dass du mich nicht mehr anhörst, der du beim geringsten Wink, den ich dir gab, eilig herbeikamst? Ich rufe dich unter Tränen, und du schenkst mir kein Gehör? O die Liebe, die stark empfunden wird, bereitet größere Qualen als ein grausamer Tyrann. Du warst für mich mehr als mein eigenes Leben. Wie sollte ich diesen Schmerz überleben können? So lasse ich mein Gehör in dem deinigen und nehme für mich in Anspruch, was deine Ohren in deiner Passion anhören mussten. Nur deine Leiden und deine Schmerzen können mir Leben spenden.”

Während du so sprichst, meine Mutter, ist der Schmerz, den du im Herzen fühlst, so groß, dass dir die Stimme versagt und du regungslos bleibst. Meine arme, arme Mutter, wie bemitleide ich dich! Welch grausamen Tod musst du immer wieder aufs neue erleiden!

Leidvolle Mutter! Das göttliche Wollen tritt in Kraft und setzt dich in Bewegung. Aber noch einmal schaust du in das Angesicht des Toten und rufst aus:

„Mein anbetungswürdiger Sohn, wie bist du entstellt! Sagte mir die Liebe nicht, dass du mein Sohn, mein Leben, mein Alles bist, so würde ich dich nicht mehr erkennen. Deine natürliche Schönheit ist geschwunden, deine rosigen Wangen sind erbleicht, das Licht und die Anmut, die aus deinem holden Gesicht schimmerten und jedermann bezauberten, der dich ansah, haben sich in Totenblässe verwandelt. Geliebter Sohn, wie übel bist du zugerichtet! Welch schauderhafte Arbeit haben die Sünder an deinen heiligen Gliedmaßen verrichtet! Wie gerne möchte deine von dir unzertrennliche Mutter dir deine frühere Schönheit wiedergeben! Mein Angesicht möchte ich in dem deinigen vergraben und dafür das deine annehmen, auch die Backenstreiche, die Besudelungen, die verächtliche Behandlung und all das, was dein heiligstes Antlitz gelitten hat. Mein Sohn, willst du, dass ich am Leben bleibe, dann gib mir deine Leiden, andernfalls sterbe ich.”

Dein Schmerz, Mutter, ist so groß, dass er dich zu überwältigen droht. Er raubt dir die Sprache. Du bist wie vernichtet, wenn du vor dem Leichnam deines Sohnes stehst. Wie sehr bemitleide ich dich! Ihr Engel des Himmels, kommt und richtet meine Mutter auf! Ihr Leid ist unermesslich, die Wasser der Trübsal überfluten sie, ja, möchten sie in ihren Wogen begraben, sodass ihr kaum noch Lebenskraft übrig bleibt. Allein der göttliche Wille zerteilt diese Wogen und gibt dir neue Lebenskraft.

Noch einmal küsst du die Lippen deines verblichenen Sohnes, fühlst die Bitterkeit der Galle, von der die Lippen Jesu gekostet haben, und schluchzend fährst du fort:

„Mein Sohn, gib deiner Mutter noch ein Wort! Ist es möglich, dass sie deine Stimme nicht mehr vernehme? Alle Worte, die du im Leben an mich gerichtet hast, waren Pfeile, die mein Herz in Schmerz und Liebe verwundeten. Nun aber, wo ich dich tot sehe, geraten diese Pfeile in Bewegung und lassen mich beständig aufs neue sterben, als ob sie sagen wollten:

,Du wirst deinen Sohn nicht mehr hören, nicht mehr den süßen Klang seiner Stimme, den Wohllaut seines Schöpferworts vernehmen, das dein Herz zu einem Paradies machte, sooft er es aussprach.′

Nun ist mein Paradies dahin, und mir bleibt nichts anderes übrig als die Bitterkeit des Schmerzes. O mein Sohn! Ich möchte dir meine Zunge geben, um die deinige zu beleben, dass du mir sagen mögest, was du gelitten hast in deinem glühenden Durst und durch die Bitterkeit der Galle; dass du mich belehrst, welche Sühnewerke du übernommen, welche Gebete du verrichtet hast. Wenn ich so in meinen Gebeten und Sühneakten deine Stimme vernehme, dann wird mein Schmerz erträglicher sein und deine arme Mutter wird leben können mittels deiner Leiden.”

Meine schmerzhafte Mutter! Nun sehe ich, dass du Eile hast, denn deine Umgebung möchte das Grab schließen. Noch einmal nimmst du die Hände Jesu in die deinigen, drückst sie an dein Herz und machst ihre Wunden und die Schmerzen, die sie gelitten haben, zu den deinigen. Dann nimmst du die Füße Jesu in Augenschein, betrachtest die grausamen Wunden, welche die Nägel ihnen zugefügt haben, und machst diese Wunden, ja, die Füße selbst gewissermaßen dir zu eigen, um mit den Füßen Jesu den Sündern nachzugehen und sie der Hölle zu entreißen.

Geängstigte Mutter! Nun sehe ich, wie du von dem durchstochenen Herzen Jesu Abschied nimmst. Hier hältst du inne. Das ist der letzte Stoß, den dein Mutterherz erfährt. Während es bei der Heftigkeit der Liebe und des Schmerzes aus der Brust springen möchte, fühlt es das Bedürfnis, das heiligste Herz deines Jesus sich zu eigen zu machen und mit ihm seine von so vielen Menschen verschmähte Liebe, seine glühenden Wünsche, denen die menschliche Undankbarkeit nicht entspricht, seine Schmerzen und seine Durchbohrung. Du siehst die tiefe und breite Herzenswunde und drückst deine Lippen auf das aus ihr quellende Blut. Als ob du Leben aus ihm gewonnen hättest, fühlst du jetzt die Kraft in dir zur schmerzlichen Trennung. Nachdem du deinen Jesus noch ein mal umarmt hast, gestattest du, dass ein großer Stein das Grab verschließt.

Doch bitte ich dich, meine Mutter, unter Tränen, lass für einen Augenblick noch nicht zu, dass Jesus unseren Blicken entzogen werde. Warte, bis ich mich in Jesus verschlossen habe, um sein Leben in mich aufzunehmen. Kannst du nicht ohne Jesus leben, du, die Makellose, die Heilige, voll der Gnade, dann ich noch viel weniger, die Schwachheit, das Elend selbst, ein Abgrund von Sündhaftigkeit. O schmerzhafte Mutter, lass mich nicht allein! Nimm mich mit dir, aber entäußere mich zuvor meiner selbst, um Jesus ganz und gar in mir verwahren zu können, wie du ihn in dich aufgenommen hast. Tritt bei mir dein Amt als Mutter an, das Jesus dir am Kreuz verliehen hat. Meine äußerste Armut schlage eine Bresche in dein Mutterherz. Verschließe mich eigenhändig ganz in Jesus und verschließe Jesus ganz in mir.

Verschließe in meinem Geist die Gedanken Jesu, auf dass kein anderer Gedanke mehr in mir Eingang finde. Verschließe die Augen Jesu in den meinigen, dass er niemals mehr meinen Blicken entschwinden könne; sein Gehör in dem meinigen, dass ich immer auf ihn höre und in allem seinen heiligsten Willen erfülle; sein Antlitz in dem meinigen, dass ich, wenn ich sein aus Liebe zu mir entstelltes Antlitz betrachte, Mitleid mit ihm habe und Sühne leiste; seine Zunge in der meinigen, dass ich spreche, bete und lehre mit der Zunge Jesu. Verschließe seine Hände in den meinigen, damit jede meiner Bewegungen und jedes Werk, das ich vollbringe, Leben habe von den Werken und Bewegungen Jesu; seine Füße in den meinigen, damit jeder Schritt, den ich tue, allen Menschen Leben, Kraft und Rettung bringe.

Verwahre auch sein Herz in dem meinigen und mache, dass ich leben könne von seiner Liebe, seinen heiligen Begierden und seinen Leiden. Nimm die erstarrte Rechte deines Jesus, gib mir damit den letzten Segen und gestatte dann erst, seinen Leichnam im Grab zu verschließen. Verschlossen ist das Grab.

Du schickst dich an wegzugehen, bleibst jedoch wie versteinert stehen, um noch einmal mit einem Blick Abschied zu nehmen. Meine von Schmerz durchbohrte Mutter, mit dir nehme auch ich Abschied von Jesus. Weinend leide ich mit dir und leiste dir Gesellschaft in deiner bitteren Trostlosigkeit. An deiner Seite will ich bleiben, um dir bei jedem schmerzvollen Seufzer, der sich deiner Brust entringt, ein Wort des Trostes zu sagen und einen Blick des Mitleids auf dich zu richten. Alle deine Tränen möchte ich trocknen, und wenn ich sehe, dass deine Kräfte dich verlassen, so werde ich dich in meinen Armen halten.

Nun löst du dich mit übermenschlicher Kraft vom Grab deines Sohnes los und kehrst auf demselben Wege nach Jerusalem zurück, auf dem du gekommen bist. Doch kaum hast du einige Schritte getan, da eilst du zum Kreuz, an dem Jesus soviel gelitten hat und gestorben ist. Du umarmst es, und da du es immer noch vom Blut gerötet siehst, erneuern sich in deinem Herzen alle Schmerzen, die Jesus auf ihm erduldet hat. Weil du dein Leid nicht mehr zurückhalten kannst, rufst du in deinem unsäglichen Schmerz aus:

„O Kreuz, warum bist du meinem Sohn so grausam gewesen? In nichts hast du ihn geschont, in allem bist du unnachgiebig gewesen. Mir, der schmerzgeprüften Mutter, hast du nicht gestattet, ihm auch nur einen Schluck Wasser zu geben, als er zu trinken begehrte, und seinem vor Durst brennenden Munde wurden nur Essig und Galle gereicht. Ach, mein von Schmerz durchbohrtes Herz schmachtet dahin! Wie gern hätte ich mein Herz in einen erfrischenden Trank verwandelt, um sei ne Lippen zu netzen und seinen Durst zu stillen, aber ich musste zu meinem Leidwesen erfahren, dass man mich zurückwies. O grausames, aber heiliges Kreuz, denn du bist geheiligt, ja vergöttlicht durch die Berührung mit meinem Sohn! Jene Grausamkeit, mit der du ihm gegenüber verfahren bist, verwandle in Mitleid mit den armen Sterblichen. Um der Leiden willen, die mein Sohn auf dir erduldet hat, erflehe Gnade und Stärke allen leidenden Menschen, dass keiner verloren gehe in seinen Kreuzen und Trübsalen.[2] O wie teuer kommen mich die Seelen zu stehen! Sie kosten mich das Leben meines Sohnes, der zugleich Gott ist. Und ich, seine Mutter und Miterlöserin des Menschengeschlechts, vermache dir die Seelen als Erbe, o heiliges Kreuz! Nun küsse ich dich, bevor ich scheide.”

Arme Mutter, wie viel Mitleid habe ich mit dir! Bei jedem Schritt begegnest du neuen Leiden. Indem sie sich ins Unermessliche steigern, werden ihre Wogen immer bitterer, überfluten dich, versenken dich in sie, und jeden Augenblick meinst du sterben zu müssen. Jetzt bist du an jener Stelle angekommen, wo du Jesus unter der schweren Last des Kreuzes begegnet bist, erschöpft, triefend von Blut, mit einem Bund Dornen auf dem Haupte, die sich, da sie am Kreuz anstießen, immer tiefer und tiefer einbohrten und seinem Träger Todesqualen bereiteten. Hier an dieser Stelle suchten die Blicke Jesu dein Mitleid, als sie den deinigen begegneten. Aber die Soldaten trieben ihn voran, um ihm und dir diesen Trost zu nehmen. Sie ließen ihn fallen, und bei jedem Fall vergoss er neues Blut. Noch siehst du, Mutter, diese Stellen mit Blut benetzt, und indem du dich zur Erde niederwirfst, um den blutgeröteten Boden zu küssen, höre ich dich sagen: „Meine Engel, kommt und verwahrt dieses Blut, dass kein Tropfen mit Füßen getreten und entweiht werde!”

Schmerzhafte Mutter! Lass mich dir die Hand reichen, um dich aufzurichten, und bedenke, dass noch andere Schmerzen auf dich warten. Wohin dein Fuß schreitet, überall Blutspuren und Erinnerungen an die Leiden Jesu. Nun beschleunigst du deine Schritte und schließt dich im Abendmahlsaal ein. Auch ich schließe mich dort ein, denn mein Cönakulum ist das heiligste Herz Jesu. In diesem Herzen, wo auch du weilst, will ich dir in dieser Stunde bitterster Trostlosigkeit beistehen, denn ich kann es nicht über mich bringen, dich in solchem Leid allein zu lassen.

Trostlose Mutter! Auch ich bin dein Kind, das nicht allein leben kann, nicht allein leben will. Nimm mich in deine mütterlichen Arme, zeige dich als Mutter, denn ich bedarf der Leitung, der Hilfe, der Stärke. Betrachte meine Armut und vergieße über meine Wunden wenigstens eine Träne.[3] Siehst du mich auch nur zerstreut, dann drücke mich an dein mütterliches Herz und rufe mir das Leben Jesu zurück.

Trostlose Mutter, wie tief empfinde ich Mitleid mit dir, denn deine Schmerzen sind unaussprechlich! Ich möchte mein ganzes Wesen in Zungen, in Stimmen verwandeln, um dir meine Teilnahme kundzugeben. Doch ach, solchen Leiden gegenüber ist mein Mitleid bedeutungslos. So rufe ich die Engel, rufe die Hlst. Dreifaltigkeit an und beschwöre sie, dass sie dich mit ihren himmlischen Harmonien, ihren himmlischen Freuden und ihrer himmlischen Schönheit umgeben, um dir ihr Mitleid zu bezeigen und deine heftigen Schmerzen zu lindern; dass sie dich in die Arme Gottes tragen und alle deine Leiden in Liebe verwandeln.

Trostlose Mutter, jetzt noch eine Bitte im Namen aller Menschen und um der Leiden willen, die du ausgestanden hast, besonders in deiner bitteren Verlassenheit: Steh mir im Augenblick meines Todes bei, wenn meine arme Seele, allein, von allen verlassen und von tausend Ängsten und Befürchtungen heimgesucht ist. Dann komm und vergilt mir die Gesellschaft, die ich dir sooft in meinem Leben geleistet habe. Komm mir in dieser Stunde zu Hilfe, stell dich an meine Seite und treibe den bösen Feind in die Flucht. Wasche meine Seele mit deinen Tränen, bedecke mich mit dem Blut Jesu, bekleide mich mit seinen Verdiensten, schmücke mich mit seinen Schmerzen und mit allen seinen Werken und Leiden. Kraft des Leidens Christi und deiner Schmerzen lass alle meine Sünden ausgelöscht sein und mir gänzliche Verzeihung zuteil werden. Wenn ich dann meine Seele aushauche, schließe mich in deine Arme, nimm mich unter deinen Schutzmantel, verbirg mich vor dem Blick des bösen Feindes, trage mich im Flug in den Himmel und lege mich in die Arme Jesu. Bist du damit einverstanden, meine Mutter?

Ich bitte dich auch, vergilt die Gesellschaft, die ich dir heute geleistet habe, allen Sterbenden. Erweise dich allen als Mutter, denn sie sind in einer Gefahr, wo große Hilfe vonnöten ist. O versage niemand deine mütterliche Liebe und Fürsorge!

Noch ein Wort zum Abschied: Während ich dich verlasse, bitte ich dich, mich in das heiligste Herz Jesu einzuschließen. Indem ich deine mütterlichen Hände küsse, gib mir den Segen. Amen.

Maria mit dem Kinde lieb, Uns allen deinen Segen gib!