Stundenuhr des Leidens


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19. Stunde von 11 bis 12 Uhr

Kreuzigung Jesu


Jesus, meine Liebe! Deiner Kleider beraubt, stehst du da mit einem zerfleischten Leib, aber mit der Sanftmut eines Lammes, das zur Schlachtbank geführt wird. Dein ganzer Leib erzittert. Es presst sich mir das Herz vor Schmerz zusammen, da ich wahrnehme, dass das Blut aus allen Teilen deines heiligsten Leibes dringt.

 

Jesus wird mit Dornen ein drittes Mal gekrönt

Deine Feinde, schon müde, haben es noch nicht satt, dich zu quälen, und reißen dir mit den Kleidern die Dornenkrone abermals vom Haupt. Indem sie dir die Krone dann wieder aufsetzen, lassen sie dich unerhörte Qualen ausstehen, denn zu den ersten Wunden fügen sie jetzt andere hinzu, die noch schmerzlicher sind.  Dadurch sühnst du die Treulosigkeit des Menschen und sein Verharren in der Sünde.

Jesus, wenn die Liebe dich nicht noch größere Schmerzen hätte erdulden lassen wollen als diese, wärst du sicherlich an den Qualen dieser abermaligen Dornenkrönung gestorben. Aber jetzt sehe ich, dass du dem Schmerz nicht länger standhalten kannst. Mit blutunterlaufenen Augen schaust du umher, ob nicht einer herbeikomme, dich in solchen Leiden und Beschimpfungen aufrecht zu halten. 

Doch, mein süßes Gut, hier bist du nicht allein wie in der verflossenen Nacht. Deine betrübte Mutter ist da. Ihr Herz ist durchbohrt von übergroßem Leid. Es sind auch die hl. Magdalena und dein getreuer Johannes da, die angesichts deiner Leiden stumm sind vor Schmerz. Sag mir, meine Liebe, wer soll dich in deiner Pein aufrecht erhalten? O gestatte, dass ich es tue, die das unabweisbare Bedürfnis empfindet, dir in dieser Stunde nahe zu sein.

Deine Mutter und andere Getreue räumen mir das Recht ein. Ich nähere mich dir, umarme und bitte dich, dein Haupt auf meine Schulter zu legen und mich die Stiche deiner Dornen empfinden zu lassen, um für alle Gedankensünden Genugtuung zu leisten, die von den Menschen begangen werden. Meine Liebe, neige dich zu mir! Jeden einzelnen Tropfen deines kostbaren Blutes, das von deinem heiligsten Angesicht rinnt, möchte ich dir abtrocknen. Ich bitte dich, dass jeder dieser Tropfen Licht sei für jeden geschaffenen Geist und keiner mehr dich mit bösen Gedanken beleidige.

Währenddessen betrachtest du das Kreuz, das deine Henkersknechte herrichten, hörst die Hammerschläge, mit denen sie Öffnungen anbringen, um die Nägel durchzutreiben, die dich ans Kreuz heften sollen. Dein Herz pocht mächtig und stark. Du frohlockst und sehnst dich danach, dich auf diesem Schmerzensbett auszustrecken, um mit deinem Tod das Heil unserer Seelen zu besiegeln. Schon höre ich dich sprechen:

„Heiliges Kreuz, nimm mich in deine Arme, ich bin des Wartens müde. Heiliges Kreuz, auf dir werde ich allem die Erfüllung geben. Komm und stille unverzüglich die glühende Sehnsucht, die mich verzehrt, allen Seelen das Leben zu geben. Säume nicht länger, denn groß ist mein Verlangen, mich auf dir zu betten, um den Himmel für alle meine Kinder zu eröffnen.

O Kreuz, es ist wahr, du bist mein Martyrium, aber in kurzem wirst du auch mein Sieg und vollkommenster Triumph sein. Durch dich werde ich meinen Kindern reiche Erbschaft, Siege, Triumphe und Kronen geben.”

Siehe da, während Jesus so spricht, befehlen ihm die Henkersknechte, sich auf dem Kreuzesholz auszustrecken. Er gehorcht ihnen unverzüglich, um unseren Ungehorsam  zu  sühnen. Meine Liebe! Bevor du dich auf das Kreuz niederlegst, gestatte mir, dass ich deine blutenden Wunden verehre, welche die Liebe dir geschlagen hat.

 

Kreuzigung Jesu

Nun, mein süßes Gut, streckst du dich auf dem Kreuz aus und wartest mit großer Liebe und Sanftmut auf die Henkersknechte, die Hammer und Nägel schon bereit halten, um dich anzunageln. Und du lädst sie noch liebreich ein, die Kreuzigung zu beschleunigen. In der Tat ergreifen sie jetzt mit unmenschlicher Rohheit deine Arme, stellen den Nagel auf die innere Handfläche und treiben ihn mit Hammerschlägen hinein, sodass er auf der entgegen gesetzten Seite zum Vorschein kommt. So groß ist der Schmerz, den du dabei erduldest, dass du zitterst. Das Licht deiner schönen Augen verfinstert sich, und dein Angesicht wird totenbleich.

Gebenedeite Rechte meines Jesus! Ich küsse dich, habe Mitleid mit dir, bete dich an und danke dir für mich und alle andern. So viele Hammerschläge du empfängst, so viele Seelen wolle, ich bitte dich, in diesem Augenblick von der ewigen Verdammnis befreien. So viele Blutstropfen du vergießt, so viele Seelen wolle in deinem kostbaren Blute waschen. Mein Jesus, um dieses bitteren Schmerzes willen flehe ich zu dir, allen Menschen den Himmel zu öffnen und alle Geschöpfe zu segnen. Möge dein Herz die Macht haben, alle Sünder zur Bekehrung zu rufen und zum Licht des Glaubens alle Irrlehrer und Ungläubigen.

Jesus, mein süßes Leben! Die Qual der Kreuzigung hat erst begonnen. Kaum sind deine Henkersknechte damit fertig, deine Rechte anzunageln, so ergreifen sie mit unerhörter Grausamkeit deine Linke und ziehen sie gewaltsam so weit, bis sie an das bezeichnete Nagelloch reicht. Deine Arme und Schultern werden aus ihren Gelenken gerissen, und infolge des Schmerzes ziehen sich auch die Beine krampfhaft zusammen. Mit jener Rohheit, mit der sie deine Rechte angenagelt haben, nageln sie auch deine Linke an.

Gebenedeite Linke meines Jesus, ich küsse dich, habe Mitleid mit dir, bete dich an und bitte dich um der Hammerschläge und der bitteren Schmerzen willen, die du beim Annageln erduldest, in diesem Augenblick alle Seelen aus dem Reinigungsort zu befreien. Kraft des Blutes, das deine Linke vergießt, bitte ich dich, o Jesus, die Flammen auszulöschen, in denen diese Seelen brennen. Dieses Blut diene allen zur Erquickung und sei ihnen ein heilsames Bad, das sie von jedem Makel reinigt, damit sie zu deiner beseligenden Anschauung gelangen können.

Meine Liebe und mein Alles! Um des bitteren Schmerzes willen, den du erduldest, flehe ich dich an, allen Seelen die Hölle zu verschließen und die Blitze deiner Gerechtigkeit zurückzuhalten, mögen sie noch so sehr durch unsere Sündenschuld herausgefordert worden sein. Bewirke, o Jesus, dass sich die göttliche Gerechtigkeit besänftige, dass die Geißeln ihres Zorns die Erde verschonen. Bewirke auch, dass sich die Schätze der göttlichen Barmherzigkeit öffnen zur Wohlfahrt für alle.

Jesus, in deine Arme lege ich die ganze Welt und alle Geschlechter der Erde und bitte dich mit der Stimme deines Blutes, niemand die Verzeihung zu verweigern und um der Verdienste dieses kostbaren Blutes willen allen Seelen das Heil zu gewähren und niemand davon auszuschließen.

Mein Jesus! Deine Feinde, noch nicht zufrieden, ergreifen mit teuflischer Wildheit deine Füße und ziehen an ihnen so lange, bis deine Gebeine aus den Gelenken gehen. Das Herz möchte mir stillstehen. Ich sehe deine Augen von Schmerz verdunkelt und mit Blut gefüllt, deine Lippen bleich und bebend, deine Wangen eingefallen, während sich deine Brust immer schneller hebt und senkt. Meine Liebe! Wie gern möchte ich deine Stelle einnehmen, um dir diesen Schmerz zu ersparen. Da mir dies unmöglich ist, möchte ich auf alle deine schmerzenden Gliedmaßen ein Linderungsmittel legen, dich liebkosen und dir Trost und Sühne für alle geben.

Mein Jesus, nun legen sie einen Fuß über den anderen und treiben einen stumpfen Nagel hindurch. O ihr gebenedeiten Füße meines Jesus! Ich küsse, ich verehre, ich danke und bitte euch um der bittersten Schmerzen willen, die ihr erduldet, sowie kraft des Blutes, das ihr vergießt, verschließt alle Seelen in eure heiligen Wunden. Jesus, weise niemand zurück!

Deine Nägel mögen auch uns einen Halt geben, dass wir nicht mehr von dir weichen; mögen unser Herz annageln, dass es stets in dir allein seinen Halt finde; mögen unsere Neigungen festhalten, dass sie an niemand als an dir allein Gefallen finden.

Mein gekreuzigter Jesus, ich sehe dich wie in ein Blutbad versenkt, in dem du unablässig um Seelen bittest. Kraft dieses Blutes bitte ich dich, lass dir keine Seele mehr entgehen.

Jesus, ich nähere mich jetzt deinem von Schmerz zerrissenen Herzen. Ich sehe, dass du am Ende deiner Kraft angekommen bist. Allein deine Liebe schreit immer stärker:

„Leiden, leiden, immer noch mehr leiden!”

Jesus, ich umarme dich, habe Mitleid mit dir, bete dich an und danke dir für mich und alle anderen. O ich möchte mein Haupt auf dein Herz legen, um zu empfinden, was du bei dieser qualvollen Kreuzigung ausstehst. Ich fühle, dass jeder Hammerschlag einen Widerhall in deinem Herzen findet. Alle Schmerzen vereinigen sich hier. O wenn es nicht der Ratschluss Gottes wäre, dass eine Lanze dieses Herz durchbohren sollte, dann würden sich die Flammen deiner Leibe einen Weg bahnen und dein Herz zum Zerspringen bringen. Diese Flammen laden deine Liebhaber ein, glückseligen Aufenthalt in deinem Herzen zu nehmen. Ich bitte dich um deines kostbaren Blutes willen, heilige diese Seelen. O lass sie niemals aus deinem Herzen weichen und vermehre mit deiner Gnade die Berufe zum Sühnopfer, auf dass sie dein Leben auf Erden fortsetzen. Du willst den bevorzugten Platz in deinem Herzen den dich liebenden Seelen einräumen. O gib, dass sie dieses Vorzugs nicht verlustig gehen. Jesus, die Flammen deines Herzens brennen und verzehren mich, dein Blut verleiht meiner Seele Schönheit, deine Liebe hält mich stets wie angenagelt an dein Herz durch Schmerz und Sühne.

Mein Jesus! Nun haben deine Henkersknechte deine Hände und Füße ans Kreuz genagelt. Jetzt wenden sie es um, um die Nagelspitzen zurückzuschlagen. So muss dein anbetungswürdiges Antlitz die Erde berühren, die gerötet ist von deinem Blut, und du berührst auch die Erde mit deinen Lippen. Mit diesem Kusse, möchtest du, meine Liebe, allen Seelen den Kuss der Liebe geben, sie mit deiner Liebe festhalten und damit ihr Heil besiegeln. O Jesus, lass mich deine Seele einnehmen. Während deine Peiniger die Nägel zurückschlagen, lass ihre Hammerschläge mich treffen und mich für immer befestigen mit deiner Liebe.

Während die Dornen immer tiefer in dein Haupt eindringen, will ich dir, mein süßes Gut, alle meine Gedanken zum Opfer bringen. Sie sollen dich trösten und die Heftigkeit der Schmerzen mildern, welche die Dornen dir zufügen.

Jesus, ich nehme wahr, dass die Henkersknechte sich nicht genug tun können, dich zu beschimpfen und zu verspotten. Darum will ich deinen Blicken Trost bereiten durch die Blicke meiner Liebe.

Deine Zunge klebt fest am Gaumen infolge des brennenden Durstes. Um deinen Durst zu stillen, möchtest du, dass alle Herzen überquellen von Liebe zu dir. Da dies nicht der Fall ist, wird dein Durst nach ihnen noch größer. Meine süße Liebe! Ich möchte Ströme der Liebe zu dir hinleiten, um einigermaßen deinen glühenden Durst zu löschen.

Ich sehe, dass sich bei jeder deiner Bewegungen die Wundern deiner Hände erweitern und der Schmerz immer heftiger und bitterer wird. Um dir für diesen Schmerz Erquickung zu bieten und ihn zu mildern, opfere ich dir die heiligen Werke aller Menschen auf.

Jesus, wie leidest du an deinen Füßen! Alle Bewegungen deines heiligsten Leibes bewirken brennende Schmerzen an ihnen. Niemand ist in deiner Nähe, dir einen Halt zu bieten und ein wenig deine Schmerzen zu lindern. Mein Leben, ich möchte die Schritte der Menschen aller vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Geschlechter in Bewegung setzen und zu dir hinlenken, um dich zu trösten in deinen harten Leiden.

Mein Jesus, wie ist doch dein armes Herz gemartert! Wie dich trösten in diesem Schmerz? Ich möchte mich in dir ausbreiten, mein Herz in das deinige, meine glühenden Begierden in die deinigen legen, auf dass jede böse Begierlichkeit vernichtet werde. Ich möchte meine Liebe in der deinigen aufgehen lassen, auf dass mit dem Feuer deiner Liebe jedes Menschenherz in Flammen gesetzt und jede sündhafte Liebe ausgetilgt werde. Wie wäre dann dein heiligstes Herz getröstet! Ich verspreche dir, mich immer an deinem liebevollen Herzen mit den Nägeln deiner heiligen Begierden, deiner Liebe und deiner Wahrheit angenagelt zu halten. Mein

Jesus, du bist gekreuzigt, dann bin auch ich gekreuzigt mit dir. Lass ja nicht zu, dass ich mich auch nur im geringsten von dir losmache. Ich will immer mit dir angenagelt bleiben. Ich möchte dich lieben und für alle sühnen, dass so der Schmerz gelindert werde, den dir die Menschen durch ihre Sündenschuld bereiten.

Mein Jesus, jetzt heben deine Feinde den schweren Kreuzbalken auf und lassen ihn in die Vertiefung fallen, die sie hergerichtet haben. Nun hängst du, meine Liebe, zwischen Himmel und Erde, wendest dich in diesem feierlichen Augenblick an den Vater und sprichst mit schwacher, leiser Stimme:

„Heiliger Vater! Sieh mich hier, beladen mit den Sünden der Welt! Keine Schuld soll es geben, die nicht auf mich geschoben wird, damit du die Blitze deiner göttlichen Gerechtigkeit künftig nicht mehr über den Menschen entladest, sondern über mir, deinem Sohne. Vater, gestatte, dass ich alle Seelen an dieses Kreuz hefte und ihnen Verzeihung erflehe mit der Stimme meines Blutes und meiner Wunden. Siehst du nicht, wie ich zugerichtet bin? Kraft dieses Kreuzes und der Verdienste meiner Schmerzen verleihe allen Menschen die Gnade wahrer Bekehrung, Frieden, Verzeihung und Heiligkeit. Halte deinen Zorn zurück gegen die arme Menschheit, gegen meine Kinder. Es sind ja Blinde, die nicht wissen, was sie tun. Darum schau mich an, in welchen Zustand ich ihretwegen geraten bin. Wirst du nicht durch sie zum Mitleid bewegt, so lass dich wenigstens rühren durch dieses mein Antlitz, das mit Speichel besudelt, von Blut überronnen, bleich und geschwollen ist infolge der vielen Backenstreiche und Schläge, die man mir versetzt hat. Erbarmen, mein Vater! Ich war das schönste aller Menschenkinder, nun bin ich so entstellt, dass man mich nicht mehr kennt. ,Ich bin zum Auswurf aller geworden' [1] Deswegen möchte ich das arme Menschengeschlecht gerettet wissen.”

Mein Jesus, ist es möglich, dass du uns in solchem Grade liebst? Deine Liebe zermalmt mein armes Herz. O ich möchte mich mitten unter alle Menschen begeben und ihnen dein Antlitz zeigen, das ihretwegen so entstellt ist, um sie zum Mitleid zu bewegen mit ihren eigenen Seelen und mit deiner Liebe. Ich möchte mit dem Licht, das auf deinen Zügen strahlt, und mit der hinreißenden Kraft deiner Liebe ihnen begreiflich machen, was du bist und was sie sind, damit sie sich vor dir niederwerfen, um dich anzubeten und zu verherrlichen.

Mein Jesus, anbetungswürdiger Gekreuzigter! Das Geschlecht der Menschen reizt beständig deine göttliche Gerechtigkeit und lässt aus seinem Munde stets das Echo Schauder erregender Gotteslästerungen, Verwünschungen, Flüche und schlechter Reden widerhallen. Alle diese Stimmen lassen die Erde erdröhnen und steigen bis zum Himmel empor. Sie kommen auch zu den Ohren Gottes und schreien um Rache und Gerechtigkeit gegen die Menschen. O wie fühlt sich die göttliche Gerechtigkeit gedrängt, ihre Blitze auf sie herabzuschleudern, und wie reizen ihre Gotteslästerungen ihren Zorn.

Aber du, mein Jesus, der du uns mit höchster Liebe liebst, begegnest diesen verhängnisvollen Stimmen mit deiner allmächtigen und schöpferischen Stimme und flehst um Barmherzigkeit, Gnade und Liebe für die Menschen. Den Zorn des Vaters zu besänftigen, sprichst du, ganz Liebe, zu ihm: „Mein Vater, schau auf mich und höre nicht auf die Stimme der Menschen, sondern auf meine Stimme. Ich bin es, der für alle Genugtuung leistet. Deshalb bitte ich dich, die Menschen in mir zu sehen. Was wird sonst aus ihnen werden? Sie sind so schwach, so unwissend und voll Elend aller Art, nur fähig, Böses zu tun. Habe Mitleid mit den armen Menschen! Ich stehe für sie ein mit meiner Zunge, die ausgedörrt ist von Durst, brennend von Liebe.”

Mein in Bitterkeit versenkter Jesus! Meine Stimme, mit der deinigen vereint, möchte allen Beleidigungen, allen Lästerungen begegnen, um alle Menschenstimmen in Stimmen der Segnungen und Lobsprüche Gottes verwandeln zu können.

Jedoch, mein gekreuzigter Heiland, der Mensch ergibt sich auch jetzt noch nicht solcher Liebe und solchem Schmerz. Im Gegenteil, er verachtet dich, häuft Schuld auf Schuld, begeht entsetzliche Sakrilegien, Morde, verübt Betrug, Schwindel, Grausamkeit und Verrat. Alle diese ruchlosen Werke lasten schwer auf den Armen deines himmlischen Vaters, der außerstande, diese Sündenlast zu tragen, nahe daran ist, seinen Zorn zu entladen und Unheil und Verderben auf die Erde zu senden. Du, mein Jesus, der du den Menschen dem göttlichen Zorn entreißen möchtest, weil du fürchtest, er ginge zugrunde, breitest die Arme gegen den Vater aus und hinderst ihn, seiner Gerechtigkeit freien Lauf zu lassen.

Um ihn zum Mitleid mit der armen Menschheit zu bewegen und ihn zu rühren, sprichst du zu ihm mit flehentlicher Stimme:

„Mein Vater, sieh diese Hände, wie sie zerrissen sind, und diese Nägel, die sie durchbohren und gleichsam annageln an alle Werke der Bosheit. Wie fühle ich in diesen Händen alle Qualen, die mir die Handlungen der Ruchlosen bereiten. Bist du, mein Vater, noch nicht zufrieden mit meinem Schmerz? Oder bin ich nicht fähig, dir Genugtuung zu leisten. Wahrlich, diese aus ihren Gelenken gerissenen Arme werden immer die Ketten sein, welche die armen Kinder der Menschheit fesseln, auf dass sie mir nicht entfliehen, ausgenommen jene, die sich mit Gewalt von mir losreißen wollen. Diese meine Arme werden aber auch Ketten der Liebe sein, die dich fesseln, mein Vater, um dich daran zu hindern, die armen Menschen zugrunde zu richten. Vielmehr möchte ich dich immer näher an sie heranziehen, damit du über sie die Ströme deiner Gnade und Barmherzigkeit ausgießest.”

Mein Jesus! Deine Liebe ist süßer Zauber für mich und regt mich an, das zu tun, was du tust. Deswegen möchte ich mit dir um den Preis jeglichen Leidens verhindern, dass die göttliche Gerechtigkeit ihren Lauf nehme gegen die arme Menschheit. Mit dem Blut, das aus deinen Händen fließt, will ich das Feuer ihrer Schuld löschen, von dem sie brennen, und seine Wut bändigen. Gestatte, dass ich in deine Arme die Schmerzen und die Pein aller Menschen lege. Gib mir Erlaubnis, zu allen Menschen gehen und sie in deine Arme führen zu dürfen, damit sie ihre Zuflucht zu deinem Herzen nehmen. Sei nicht dagegen, wenn ich mit der Macht deiner schöpferischen Hände den Strom so vieler Werke der Ruchlosigkeit aufhalte und alle Menschen abhalte, weiterhin Böses zu tun.

Aber ach! Nicht zufrieden damit, dich zu beleidigen, wollen die Menschen den Kelch der Schuld bis zur Neige trinken und wie wahnsinnig den Weg des Lasters betreten. Sie eilen von Schuld zu Schuld und übertreten deine Gebote. Weil sie dich nicht kennen, lehnen sie sich gegen dich auf und schlagen dir zum Trotz den Weg zur Hölle ein. Wie ist darüber die höchste, göttliche Majestät erzürnt! Und du, mein Jesus, der du über alles triumphierst, auch über die Widerspenstigkeit der Menschen, lässt, den himmlischen Vater zu versöhnen, deine zerschlagene Menschheit sehen, deinen Leib, der aus den Gelenken gerissen ist, misshandelt in entsetzlicher Weise; du zeigst ihm deine durchbohrten Füße, wie sie zusammengezogen sind von der Bitterkeit der Qualen. Ich vernehme deine Stimme, rührend wie die eines Sterbenden, die aber trotzdem durch die Gewalt der Liebe und des Schmerzes die menschliche Bosheit besiegen und über das Herz des Vaters triumphieren möchte: „Mein Vater, betrachte mich vom Kopf bis zu den Füßen. Kein heiler Fleck ist an mir und keine Stelle, wo sich noch eine andere Wunde öffnen, wo man mir noch andere Schmerzen bereiten könnte. Kann ich bei diesem Schauspiel der Liebe und des Schmerzes dich nicht erweichen, wer könnte es sonst tun? O Kinder der Menschen, wenn ihr euch solchem Übermaß der Liebe nicht ergebt, welche Hoffnung bleibt übrig, euch zu bekehren? Diese meine Wunden und dieses mein Blut werden stets vom Himmel auf die Erde Gnaden zur Reue, Verzeihung und zum Erbarmen auf euch herabflehen.”

Jesus, mein liebreichster Gekreuzigter! Der brennende Durst, der dich verzehrt, deine inneren Leiden, die dich vor Bitterkeit, Schmerz und Liebe ersticken möchten und noch mit anderen Martern verbunden sind, die Undankbarkeit der Menschen, die dir so sehr zur Schmach gereicht, all das unsägliche Leid, das dir wie eine sturmgepeitschte Woge bis ins Innerste deines Herzens dringt, drückt dich derart nieder, dass deine Menschheit, die unter dem Gewicht solcher Qualen nicht mehr standhalten kann, am Ende ihrer Kräfte ist und im Übermaß von Schmerz und Liebe um Hilfe und Erbarmen fleht. Mein gekreuzigter Jesus! Ist es möglich, dass du, der du das Universum regierst und allen Leben gibst, jetzt um Hilfe rufst?

Ach, wie gerne möchte ich eindringen in jeden Tropfen deines kostbaren Blutes und das meinige vergießen, um dir den Schmerz jeder Wunde zu lindern und die Stiche deiner Dornenkrone weniger qualvoll zu machen. Ich möchte eindringen in jedes innere Leid deines Herzens, um dir die Bitterkeit wegzunehmen, und möchte dir Leben für Leben geben. Wäre es möglich, möchte ich dich vom Kreuz abnehmen und mich an deine Stelle setzen. Aber ich sehe, dass ich nichts bin und nichts kann, weil ich zu armselig bin. So schenke mir dich selbst, und ich werde Leben in dir annehmen und dich selbst dir schenken. So wären meine Wünsche erfüllt.

Mein gequälter Jesus, ich sehe, dass es mit deiner heiligsten Menschheit zu Ende geht, nicht für dich, nein, nur um unsere Erlösung zu vollenden. Du bedarfst göttlichen Beistandes, darum legst du dich in die Hände deines Vaters und bittest ihn um Beistand und Hilfe. O, wie muss der Vater gerührt sein, wenn er die entsetzliche Qual deiner Menschheit sieht, die schreckliche Arbeit, welche die Sündenschuld an deinen Gliedern vollbracht hat! Deine Sehnsucht nach Liebe zu stillen, drückt er dich an sein väterliches Herz und verleiht dir den notwendigen Beistand, um das Werk der Erlösung zu vollenden. Aber während du an dem Vaterherzen ruhst, empfindest du in deinem Herzen in stärkerem Maße die Hammerschläge, die Geißelhiebe, die Schmerzen deiner Wundmale und die Stiche deiner Dornenkrone. O wie fühlt sich der Vater selbst getroffen! Wie ist er erzürnt, dass diese Schmerzen, die bis zu deinem Herzen vordringen, sogar von den dir geweihten Seelen verursacht werden! Und du, mein Jesus, über alles triumphierend, verteidigst auch die Gott geweihten Seelen und leistest mit der unermesslichen Liebe deines Herzens Sühne für das Meer von Bitterkeit und Schmerz, das sie dir und dem Vater bereiten. Ihn zu besänftigen, sprichst du zu ihm:

„Mein Vater, schau hin auf dieses mein Herz! Alle seine Leiden mögen dir Genugtuung geben. Je qualvoller sie sind, desto wirkungsvoller mögen sie für dein Vaterherz sein, um auch für die dir geweihten Seelen Gnade, Licht und Verzeihung zu erflehen. Mein Vater, wirf sie nicht von dir, werden sie doch meine Verteidiger und jene sein, die mein Leben auf Erden fortsetzen.”[2]

Jesus, mein gekreuzigtes Leben! Ich sehe, wie dein Todeskampf am Kreuz seinen Anfang nimmt. Denn deine Liebe ist nicht befriedigt, bevor dein Werk erfüllt ist. Auch ich erleide den Todeskampf mit dir. Ihr alle, Engel und Heilige, kommt und schaut das Übermaß der Liebe eines Gottes. Küssen wir seine blutenden Wunden, beten wir sie an, bieten wir den zerrissenen Leib eine Stütze, danken wir Jesus für das Werk der Erlösung. Schenken wir seiner von Schmerz durchbohrten Mutter einen Blick der Liebe, jener Mutter, die so viele Schmerzen und sooft den Tod in ihrem unbefleckten Herzen aussteht, wie sie Wunden sieht an ihrem Sohn, der zugleich ihr Gott ist. Seine Kleider sind mit Blut getränkt, der Kalvarienhügel ist mit Blut benetzt.

O nehmen wir alle dieses Blut. Bitten wir die schmerzhafte Mutter, sie möge sich mit uns vereinigen, und dann verteilen wir uns in der ganzen Welt. Kommen wir den Gefährdeten zu Hilfe, dass sie nicht zugrunde gehen, den Gefallenen, dass sie wieder aufstehen, jenen, die im Begriff sind zu fallen, dass der Fall verhindert werde. Reichen wir dieses kostbare Blut den geistig Blinden, dass in ihnen das Licht der Wahrheit aufleuchte, in besonderer Weise aber den armen Soldaten, die sich im Kampf befinden.[3]  Seien wir ihnen eine Schildwache! Wenn sie das Verhängnis ereilt, von einer feindlichen Kugel getroffen zu werden, dann nehmen wir sie in unsere Arme, um sie zu trösten. Wenn sie, verlassen von allen, auf dem Schlachtfeld liegen und an ihrem traurigen Los verzweifeln möchten, dann reichen wir ihnen dieses kostbare Blut, dass sie sich in ihr Schicksal ergeben und die Bitterkeit ihrer Schmerzen gelindert werde. Und wenn wir wahrnehmen, dass Seelen in Gefahr schweben, in die Hölle zu stürzen, geben wir auch ihnen das Blut des Gottessohnes, das der Preis der Erlösung ist, und entreißen wir sie dem Satan.

Während ich Jesus an mein Herz drücke, ihn gegen seine Feinde zu verteidigen und ihm für alle Unbilden Sühne zu leisten, will ich alle Menschenkinder an sein Herz legen, dass alle wirksame Gnade der Bekehrung, Stärke und Rettung erlangen.

Unterdessen sehe ich, mein Jesus, dass reichlich Blut aus deinen Händen und Füßen quillt. „Die Engel des Friedens, die bitterlich weinen”, bilden um dich eine Krone und bewundern die Großtaten deiner unendlichen Liebe. Ich sehe deine Mutter am Fuß des Kreuzes, ganz durchbohrt von Schmerz, sehe die treue Maria Magdalena, sehe deinen Lieblingsjünger Johannes, alle hingerissen von Erstaunen, Schmerz und Liebe.

O Jesus, ich vereinige mich mit dir, nehme alle Tropfen deines kostbaren Blutes und gieße sie in mein Herz. Sehe ich deine Gerechtigkeit über die Sünder erzürnt, dann halte ich dir dieses dein Blut vor, um sie zu besänftigen. Verlange ich von dir die Bekehrung von Seelen, die in der Sünde verhärtet sind, dann zeige ich dir dieses dein Blut. Kraft dieses Blutes wirst du mein Gebet nicht zurückweisen, denn ich trage das Unterpfand unseres Heils in meinen Händen.

Nun, mein gekreuzigtes Gut, werfe ich mich im Namen aller Geschlechter des Erdkreises, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, zugleich mit deiner Mutter und allen heiligen Engeln vor dir nieder und spreche: „Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.”

 

Erwägungen und praktische Übungen.

Der gekreuzigte Heiland gehorcht seinen Henkersknechten und nimmt mit Liebe alle Beschimpfungen und Leiden entgegen, die sie ihm zufügen. Vermöge der großen Liebe, die Jesus zu unserer armen Seele hegte, fand er am Kreuz seine Ruhestätte.  Suchen auch wir in unseren Leiden eine Ruhestätte in ihm? Ist unsere Geduld und unsere Liebe groß genug, dass wir sagen können, wir bereiten Jesus eine Ruhestätte in unserem Herzen?

An Jesus, dem Gekreuzigten, gibt es keine Stelle, weder innen noch außen, die nicht ihren besonderen Schmerz hätte.  Sind auch wir mit ihm gekreuzigt, wenigstens unseren Sinnen nach? Finden wir an seichter Unterhaltung oder an anderen Vergnügungen Wohlgefallen, dann bleibt Jesus ans Kreuz angenagelt. Bringen wir aber diese Vergnügungen ihm zum Opfer, dann nehmen wir Jesus vom Kreuz ab und nageln uns an. Sind mit den Nägeln seines heiligsten Willens immer unser Geist, unser Herz und unser ganzes Wesen ans Kreuz geheftet?

Während Jesus gekreuzigt ist, betrachtet er mit einem Blick der Liebe seine Henker. Schauen auch wir aus Liebe zu ihm jene liebreich an, die uns beleidigen?

Mein gekreuzigter Jesus! Mögen doch deine Nägel in meinem Herzen befestigt sein, dass keine Bewegung, keine Neigung, kei­ne Begierde in ihm sei, die nicht die Spitzen der Nägel empfindet. Das Blut, das mein Herz dabei vergießen wird, sei der Balsam, der die Schmerzen aller deiner Wunden lindere.